Was wir aus der Geschichte von dezentralen Netzwerken für Steemit lernen können.

„Dezentrales Netzwerk. Noch nie verwendet, noch nie gehört“

Das höre ich oft von meinen StudentInnen, oder bei diversen Vorträgen.

Auf der anderen Seite feiern hier auf Steemit viele die „Dezentralität“ als Heilsbringer, ohne sich vielleicht mit der Geschichte von dezentralen Netzwerken und den Nachteilen und Gefahren auseinander gesetzt zu haben.

Definition:

Bei dezentralen Netzwerken sind (viele) Computer, Server, Smartphones etc. nach keinem besonderen Schema miteinander (tlw. sogar mehrfach) verbunden.

Geschichte von dezentralen Netzwerken

Dezentralisierung ist ja nach Blockchain, Crypto und WasauchimmerCoin das große Hype-Wort der letzten Monate.

Dabei ist das größte und erfolgreichste dezentrale Netzwerk das Internet an sich. Also ein alter Hut.

Ehrlicherweise muss man aber sagen, dass es nur durch zentrale Dienste, wie z.B. einer funktionierenden Suche wie Google so erfolgreich geworden ist. Mehr dazu weiter unten.

➡ Auch Email ist eine dezentrale Kommunikationform.
Bittorrent ist (trotz der zentralen Tracker) eine dezentrale Plattform. Das ist die Plattform mit den Sicherungskopien.

Aber es gab auch schon vor Steemit & Co dezentrale Social-Networks. Sehr viele von ihnen sind aber gescheitert.

Weniger erfolgreiche dezentrale Netzwerke:

Darunter fallen z.B. Diaspora (eines der ersten erfolgreichen Kickstarter Projekte), Friendica, Buddycloud etc. Einige davon, allen voran Diaspora, wurden als „Facebook-Killer“ gehandelt, sind aber massiv an den zahlreichen Nachteilen von dezentralen Netzwerken gescheitert .

zentrale-dezentrale-netzwerke.jpg

Wie man hier anschaulich sieht, sind bei dezentralen Netzwerken die Transaktionenkosten wesentlich höher, als bei zentralen Netzwerken, weil einfach mehr Nodes notwendig sind.

Einige Vor- und Nachteile von dezentralen Social Networks:

Vorteile

Staatliche Sperren von Diensten von Twitter und Youtube, wie es in einigen Ländern der Fall war, sind wesentlich schwieriger bzw. fast unmöglich.

Überwachung und das illegale Nutzen von unseren Daten sollte schwerer werden (siehe ganz unten, dass es vielleicht auch das genaue Gegenteil bewirken kann).

Hohe Sicherheit und Transparenz. Das schafft Vertrauen, wo es vorher sehr schwer war, Vertrauen zu bilden.

Kleines Beispiel: Jeder der bei einem Contest auf Steemit mitmacht, wirft wohl vorher einen Blick in die Wallet des Veranstalters 😊

Zensur und das Löschen von Daten wird schwieriger. Das ist aber gleichzeitig auch ein Nachteil, wie diverse Diskussionen zeigen. Einerseits weil hier jeder eine andere Grenze (Politik) hat, andererseits bei Themen wie Kinderpornografie, Gewaltvideos und natürlich Copyrightverletzungen.

Nachteile

➖ Dezentrale Netzwerke „kosten“ viel mehr. Die Transaktionskosten sind einfach viel höher.

➖ Die Betreiber, die mitmachen brauchen ein Anreizsystem, um z.B. ihre Rechenleistung etc. zur Verfügung zu stellen. * Eine Blockchain mit 2 Rechnern ist nur so mittelsicher 😊

➖ Oft bedeutet Dezentralität und Datensicherheit auch (wie z.B. bei Diaspora) eine schlechtere Userexperience.

Aber wann ist ein Soziales Netzwerk eigentlich erfolgreich?

Das ist recht einfach: Ein Social Network ist nur dann erfolgreich, wenn es genug aktive Teilnehmer hat.

„Metcalfs Law“ beschreibt das Kosten/Nutzenverhältnis von solchen Kommunikationssystemen:

➡Dieser Nutzen steigt überproportional mit jedem neuen Nutzer, während die Kosten nur proportional wachsen.

Ein Telefonnetzwerk mit nur einem Teilnehmer ist relativ fad 😊

➡ Deswegen ist es so wichtig, dass neue User auf Steemit kommen. Der Gedanke „Dann bleibt ja weniger für uns“ ist also eine sehr kurzfristige Anschauung!

Wann ist ein dezentrales Social-Network erfolgreich?

Michael Seemann beschreibt ihnen seinem Vortrag von 2014 auf der Republica recht gut die bisherigen Probleme und welche Lösungen es geben könnte:

Die Vorteile von dezentralen Netzwerken nutzen, aber die Nachteile punktuell durch zentral gesteuerte Funktionen (z.B. bei der Suche) ergänzen. Dazu müsste es noch das gewisse Etwas geben, das 2014 noch nicht am Horizont sichtbar war 😊

pyramide.jpg

Jetzt kommt der spannende Teil: Was bedeutet das jetzt für Steemit?

Wie löst Steemit also die angesprochenen Nachteile und wo könnte es Probleme geben:

Transaktionkosten und das Betreiben der Blockchain:

✔ Das Witnesssystem und das verbundene Wahlsystem sind schon sehr innovativ und transparent. Sicher ein Pluspunkt.

Anreizsystem

✔ Ist durch das Voting und Curationsystem gegeben. Speziell am Beginn sicher eine Motivation. Das kann sich aber auch schnell drehen, wenn der Erfolg ausbleibt.

✔ Allerdings wird’s es langfristig (wie mit @altobee diskutiert) etwas mehr brauchen, als nur der „Get paid for good content“ Claim. Deswegen ist die Community so wichtig und das ganze Rundherum mit Discord-Server, Meetups, gemeinsame Aktionen, evt. auch Gamification usw.

Verbreitung und die kritische Masse

✔ Viele User sind essentiell für ein erfolgreiches Netzwerk. Punkt.
✔ Was ich nicht ganz verstehe ist, dass so viele Networks die Chance durch #deleteFacebook kaum nutzen, um auf sich aufmerksam zu machen.
✔ Hier sieht man auch ein Problem: Die Teams sind tlw. sehr klein, um sich auch noch um Marketing und PR zu kümmern.

Smart Media Tokens

✔ Die Vielfalt der Möglichkeiten durch Smart Media Token sind schon sehr innovativ. Sieht man ja auch bei den aktuellen Verbesserungen von Busy (wie von @theaustrianguy) beschrieben, dass manche Plattformen bei der Funktionalität schon weiter sind, als das Original.

Hier wären mmn. aber auch einige Verbesserungen sinnvoll:

  • Ein einheitliches Auftreten, um dem „Main-Brand“ Steemit zu helfen und zu sehen, dass alles zusammengehört.
  • Das manche Inhalte nur auf einzelnen Plattformen zu sehen sind und nicht alles auf Steemit.com

Fazit und das angesprochene „gewisse Etwas“

Steemit macht schon sehr viel richtig. Hat durch das Curationsystem und die Smart Media Tokens offenbar das gewisse Etwas. Muss aber natürlich aufpassen, nicht irgendwann zum MySpace der dezentralen Networks zu werden.

Auf diverse andere Probleme ist @oliverschmid in seinem Beitrag eingegangen.

Speziell die neue Datenschutzverordnung ab Mai wird definitiv ein Problem werden.

Der „World of Warcraft“ Effekt

Was man nicht vernachlässigen darf, ist der "World of Warcraft Effekt". Wie ich ihn nenne.

WoW war das erste Massiv Multiplayer Online Rollenspiel (MMORGP) wirklich für die Massen und eine Cashcow für Entwickler Blizzard. Millionen User, die 10 Euro pro Monat ausgaben und nicht nur einmal 50.

Damals haben zig Studios begonnen ebenfalls solche Spiele zu entwickeln, aber haben dabei nicht bedacht, dass ein Gamer wahrscheinlich nur ein so ein Spiel zeitgleich spielen wird, weil es halt extrem zeitintensiv ist. Das Gleiche gilt für Social Networks. Da der Tag nur 24h hat, kann man nicht gleich aktiv auf allen Networks sein. Sprich: Es wird nur wenige Gewinner geben bzw. maximal Nischennetzwerke.

Steemit hat hier einen Vorteil, den sie nicht verspielen sollten.

Ausblicke

Vor Kurzem wurde **Acitivitypub **als neuer Standard für dezentrale Social Networks vom W3C veröffentlich.
Sicher interessant, wie das neue Protokoll seinen Weg ins SteemUniverse findet. Für den Erfolg wäre es mmn. förderlich.

Die Gefahr von Crypto, Blockchain und Co

Hier ein sehr spannender Artikel, über die reelle Gefahr, dass Cryptowährungen und die so hochgelobte Dezentralisierung durchaus in einer kompletten Kontrolle und Überwachung enden könnten:


Na oida, das ist wieder lange geworden, obwohl es das Thema nur angekratzt und ich viel ausgelassen und vereinfacht habe.

Aber ich bin der Versuchung widerstanden, zwei Teile draus zu machen und hab es @naturicia Style in einem durchgezogen.

Ich habe auch das erste Mal den #de-stem Hashtag bei einem Artikel von mir verwendet, obwohl meine Tochter mich gerade kritisiert hat, ich habe zuwenig Smileys verwendet. Mal sehen, ob sich das vertragt :)

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