Der Zitate-Detektiv: Wer hat's gesagt? Folge 3

Um das obige Zitat von Schumpeter geht es mir gar nicht und ich finde es auch nicht besonders interessant, aber da es im weiteren um Schumpeter gehen wird und ich ein Bild brauchte, habe ich eben dieses genommen.

Im Wikipedia-Eintrag zu Friedrich August von Hayek findet sich folgende Formulierung:

"Laut Joseph Schumpeter sei Hayeks Liberalismus zwar theoretisch ein edles Konzept, jedoch ausschließlich betuchten Self-made-Gentlemen und Sklavenhaltern zu empfehlen.

Nun bin ich kein Schumpeter Experte, weiss aber doch genug, um mich über diese Formulierung zu wundern und mehr darüber wissen zu wollen. Als Quelle wird bei Wikipedia folgendes Buch angegeben:

"Christoph Butterwegge, Bettina Lösch, Ralf Ptak, Neoliberalismus, VS Verlag für Sozialwissenschaften, 1. Auflage 2008, ISBN 978-3-531-15186-1, S. 120" 

Das finde ich als Quellenangabe insofern verwunderlich, als sie nicht auf ein Werk von Schumpeter selbst verweist, sondern auf Sekundärliteratur. Dankenswerterweise ist das zitierte Werk "Neoliberalismus: Analysen und Alternativen" aber in Teilen bei Google Books einzusehen und tatsächlich findet sich dort auf Seite 120:

Die Passage ist Teil eines Aufsatzes mit dem Titel "Das Prinzip des Nichtwissens im Jahrhundert der Wissenschaft. Zum Verhältnis von Neoliberalismus und liberaler Wissenschaftstheorie" von Jürgen Nordmann. Dummerweise fehlen bei Google Books ausgerechnet die beiden Seiten 131 und 132, auf denen das Werk von Schumpeter angegeben wird, das als Quelle dienen soll.

Glücklicherweise führte mich eine Google-Suche nach "das prinzip des nichtwissens nordmann" auf ein Seite des Springer-Verlags, wo das komplette Literaturverzeichnis steht:

"Schumpeter, Joseph A. (1987): Beiträge zur Sozialökonomik, Wien/Köln/Graz

Auch das lässt sich bei Google finden und die "Seiten 87 f.", die Nordmann als Quelle (siehe oben) angibt, sind  einsehbar.

 Schumpeter rezensiert dort Hayeks "Road to Serfdom". Was jedoch völlig fehlt, sind die Ausdrücke "betuchte self-made Gentlemen" und "Sklavenhalter". Schumpeter sagt aber "Die Grundsätze der Initiative und der Selbsthilfe des einzelnen sind die Grundsätze einer sehr begrenzte Klasse. Den meisten Menschen, die - aus welchem Grund auch immer - den mit ihnen verbundenen Anforderungen nicht gewachsen sind, bedeuten sie nichts." (S.87-88). Da dem so sei, mache es auch keinen Sinn sich auf Cicero, Perikles und Benjamin Franklin zu berufen, die lt. Schumpeter offenbar für die o.g. Prinzipien stehen, die aber in Gesellschaften lebten, die auf Sklaverei begründet waren oder wie im Falle Franklins populär in seiner "kleinen Gesellschaft von verwegenen Pionieren" (ich vermute, Schumpeter meint die US Gründerväter), von denen "einige den gewinnträchtigen Handel mit Sklaven nicht verachteten".

Nun ist diese Aussage aus meiner Sicht nur aus dem Kontext zu verstehen, dass Schumpeter der Meinung war, dass der Kapitalismus zwangsläufig durch den Sozialismus abgelöst werden würde, nicht zuletzt aufgrund der oben beschriebenen Tendenzen. Was Hayek fordert, sei also sozusagen nicht mehrheitsfähig und daher nicht durchsetzbar. Genau dagegen schrieb Hayek jedoch an. Nirgends aber spricht Schumpeter eine "Empfehlung an betuchte self-made gentlemen und Sklavenhalter" aus. Die sozialistischen Untertanenverwalter wiederum interessieren sich nicht für das "theoretisch edle Konzept des Liberalismus", da sie ja lieber den von Schumpeter beschriebenen Massen nach dem Mund reden und sich von ihnen ihre soziologischen Lehrstühle finanzieren lassen. Dass dann solche sinnentstellenden Zitate dabei herauskommen, wird die Massen sicher freuen.


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