Hier gibt’s alle bisherigen Artikel zum Thema!
Der Tod lächelt uns alle an, das einzige was man machen kann ist zurückzulächeln.
Kurze Definition der Angst
Angst und Furcht beschreiben zwei leicht unterschiedliche Gefühlsregungen, die bei Bedrohung und der dadurch entstehenden Verunsicherung entstehen. Evolutionär gesehen ist die Angst eine Warn- und Schutzfunktion, die zur Flucht und aktiv oder passiver Vermeidung von Schmerz und Tod dient.
Dabei beschreibt die Angst eher das Gefühl, welches diffus und gegenstandslos ist, was nicht zu einer konkreten Handlung führt. Die Furcht richtet sich dagegen auf ein konkretes Objekt bzw. eine bestimmte Situation, die zum Handeln führt.
Furcht schärft die Sinne und erhöht die Körperkraft um ein angemessenes Verhalten zu ermöglichen – Fight or Flight.
Ich und die Furcht
Geprägt von meiner Kindheit entwickelte ich, da Flucht oder Kampf nicht möglich war, Strategien, die zur Furchtlosigkeit führten.
Mit 14 änderte sich das schlagartig.
Es begann eigentlich ganz harmlos, ohne dass ich es als gefährlich eingeordnet hätte. Ich hatte definitiv andere Probleme. Eines Tages hatte ich einen Krampf im rechten Arm der aber ganz schnell wieder weg war. Das passierte ab und zu mal, war aber nicht weiter schlimm.
Eines Morgens beim Frühstück ging es dann los. Ich hatte meinen ersten Epileptischen Anfall. Meine Eltern riefen in heller Panik den Krankenwagen. Als der Notarzt kam, bekam ich sofort eine Dosis Valium und war ruhiggestellt. Valium verhindert die Krampfanfälle, da das ganze System extrem heruntergefahren wird. Das Gehirn wird sozusagen „stillgelegt“.
Epilepsie in 2 Sätzen
Ich möchte ganz kurz vom Thema abweichen und in 2 Sätzen Epilepsie erklären. Die Krankheit ist eine Überreaktion des Gehirns. Alle Nervenzellen feuern zur gleichen Zeit und es gibt eine Art „Kurzschluss“ im Gehirn. Das ist sehr verkürzt und vereinfacht erklärt, reicht aber an dieser Stelle völlig aus.
Ich wurde also sofort auf die Kinderstation im nächsten Krankenhaus eingewiesen.
Dort verbrachte ich 2 Wochen. Damit ich nicht in einen Status epilepticus falle, bekam ich dauerhaft Valium bis klar war was „mir fehlte“.
Ich kann mich durch das Valium kaum noch an irgendwas aus der Zeit erinnern. Angeblich habe ich dort auch mit anderen Karten gespielt und am Alltag im Krankenhaus teilgenommen. Dummerweise war ich nicht dabei.
Nach dieser Zeit wurde ich dann mit Antiepileptika eingestellt, damit die Anfälle aufhörten.
Dies war auch fast ganz möglich.
Und dann geht nichts mehr
Normalerweise wird man während eines Anfalles bewusstlos.
Bei mir ist das nicht so. Die Ärzte wollten mir das lange Zeit nicht glauben, weil es nicht „normal“ ist.
Tja, tut mir leid, ist aber so – was für mich allerdings alles andere als gut ist. Ich bekomme alles bis ins kleinste Detail mit.
Mit diesen Anfällen habe ich erfahren, was Furcht ist. Todesangst.
Wenn ich einen Anfall habe, ist meine linke Körperhälfte gelähmt, meine Rechte Seite krampft und mein Körper zuckt und schlägt unkontrolliert um sich. Vielleicht hat die ein oder der Andere von euch das ja schon mal gesehen.
Gesegnet bin ich damit, dass ich Anfälle nur aus dem Schlaf heraus bekomme. Das heißt ich wache nachts auf und beginne dann zu krampfen. Das ermöglicht mir tagsüber ein relativ normales Leben. Da bekomme ich nur ab und zu kleine Krämpfe im Arm. Auch doof, aber nicht bedrohlich.
Ein Krampfanfall bedeutet, dass ich für ca. 1-3 Minuten – welche sich für mich wie Stunden anfühlen – keine Luft bekomme und die absolute Kontrolle über meinen Körper verliere. Und das bei vollem Bewusstsein.
Ich bin wach und klar und stecke in meinem Körper wie in einem Gefängnis. Ich kann nichts tun. Ich will atmen aber kann nicht. Ich will das es aufhört aber ich bin nicht fähig meinen Körper zu kontrollieren.
Ich sterbe
Ich habe jedes Mal Todesangst, immer wieder, auch nach 35 Jahren noch. Panik pur.
Angst, dass ich ersticke.
Angst das ich meinen Körper nicht mehr fühle.
Angst, dass mein Kopf durch das Krampfen ins Kissen gedrückt wird.
Angst, dass es nie mehr aufhört.
Angst in meinem Kopf. Gedanken die genauso außer Kontrolle sind wie mein Körper.
Angst nicht mehr gemocht zu werden, wenn es jemand sieht.
Angst, dass dieser Jemand mich gleich festhält, um mir zu helfen. Festhalten ist das schlimmste, ich möchte Schreien aber es geht nicht. Ich möchte sagen „lass los!“, aber es geht nicht.
Angst, dass ich sterbe.
Ich muss dabei „zusehen“ und es aushalten. Immer wieder. Und ich weiß, ich kann es nicht ändern.
Die Angst sorgt für eine Adrenalinausschüttung um in den „Fight oder Flight“-Modus zu kommen. Dann bemerkt sie, dass das nicht geht. Und bekommt noch mehr Angst.....
Training
Nach vielen Jahren habe ich eine Methode entwickelt, um diese Zeit im „Off“ so gut wie möglich auszuhalten, auch mit Angst.
Sobald es losgeht fange ich in Gedanken an mit mir selbst zu sprechen. Ich beruhige mich wie ich es mit einem Kind machen würde. Ich sage mir, dass ich ja weiß, dass es wieder aufhört und ich mich deshalb beruhigen kann. Ich sage mir, dass ich nicht sterben werde, weil es wieder aufhören wird, wie schon so oft. Ich sage mir, an was ich alles denken könnte bis es vorbei ist.
Das hilft mir. Manchmal mehr, manchmal weniger. Je nachdem wie schlimm der Anfall ist. Angst hab ich trotzdem immer, aber sie wächst nicht in die Panik. Wenn es zu lange dauert, dann lässt die Panik sich allerdings nicht beruhigen. Aber ich übe weiter.
Einmal hatte ich eine ungewöhnliche Erfahrung gemacht, ohne etwas zu tun. Es wäre toll wenn es immer so wäre. Es war aber leider nur dieses eine Mal so.
Der Anfall begann und in mir war alles still. Ich war in der absoluten Stille. Da war nichts. Mein Geist und mein Körper waren voneinander getrennt und ich wartete darauf, dass er sich wieder beruhigte. Es war als würde das was hier passiert nichts mit mir zu tun haben und ich wartete bis wieder alles so war wie es sein sollte. Es war eine sehr aussergewöhnliche Erfahrung. Es gab nicht einen Hauch von Angst. Nur Ruhe.
Ich habe nicht die geringste Ahnung, wie das zustande kam. Leider. Seit dem ist es auch nicht wieder passiert, egal was ich versucht habe.
Was wenn?
Ich versuche den Gedanken „Was wenn es die Medikamente plötzlich nicht mehr gibt?“ zu vermeiden. Sie sind kontraproduktiv und da hilft auch kein sich der Angst stellen. Mein Leben wäre ohne Medikamente zu Ende und dieser Angst muss ich mich jetzt nicht stellen. Das tue ich dann wenn es so weit ist.
Für Jetzt reicht mir die Angst der ich mich bei jedem Anfall immer wieder neu stellen muss. Eine große Herausforderung. Vielleicht schaffe ich es eines Tages, ganz in Ruhe zu warten bis der Anfall vorbei ist.
Ich habe im Alltag keine große Angst vor den Anfällen. Wenn ich mal meine Medikamente vergesse kommt kurz ein kleiner Panikmoment, der aber sofort wieder gehen darf weil ich gelernt habe, dass das nichts bringt. Ich werde merken ob er kommt oder nicht. Dann habe ich noch genug Zeit Angst zu haben. Große Anfälle bekomme ich eigentlich so gut wie gar nicht mehr, ausser ich vergesse meine Tabletten zweimal.
Ich bin mir nicht ganz sicher ob dieser Artikel so wirklich in die Reihe der anderen Angst-Artikel passt. Ich habe lange überlegt über was ich schreibe und mich dann entschieden euch von dieser sehr speziellen Angst zu berichten. So wirklich richtig beschreiben lässt sie sich aber gar nicht. Zumindest fällt es mir schwer sie mit Worten zu fassen.
Ich danke euch fürs „zuhören“!
Fotos:
Prawny - Pixabay
Tama66 - Pixabay
Engin_Akyurt - Pixabay
Gerald - Pixabay
Photo by Matthew Henry on Unsplash
Neugierig? Besuch gern mal meinen introduceyourself-post!
Auf meinem Blog findest du noch mehr interessante Artikel! Ich freu mich auf dich!