📍📍Texte, bei denen es sich lohnt ganz genau zuzuhören
Julian Pollina alias “Faber”
Der Mann heißt Julian Pollina, kommt aus der Schweiz, nennt sich Faber, ist gerade mal 23 Jahre alt und hat im letzten Jahr sein Debüt-Album „Sei ein Faber im Wind“ uns zum Genuss vorgeworfen. Weder meine Formulierung, noch die Texte auf dem Album sind politisch korrekt - und deshalb grandios.
Will er nur provozieren? Meine Meinung: Nie und nimmer! Viel mehr vermute ich, dass hier Texte aus der Feder geflossen sind, an denen im Nachhinein jeder Rotstift oder die Kopf-Schere gescheitert ist.
In seinem Leben haben sich schon einige Dinge ereignet, die dazu taugen, dass aus ihnen Erzählungen gemacht werden. Sein Vater, Pippo Pollina, ist Sizilianer. Julian ging daher nach dem Abschluss an einem Züricher Musikgymnasium für ein paar Monate nach Sizilien und führte eine Art Troubadourleben.
2013 erkennt Sophie Hunger das Potenzial, das in Julian steckt und nimmt ihn als Vorband mit auf Tour.
Und siehe da, es zeichnet sich schon bald ab, dass (was überhaupt nicht selbstverständlich ist) er auch beim deutschen Publikum sehr gut ankommt. Ein Kritiker schrieb damals: „Faber ist keiner, der über das Leben singen würde, ohne überhaupt gelebt zu haben. Faber singt seine Lieder mit einem gewaltigen Furor und maximaler Hingabe.“
Doch was macht Faber überhaupt? Akustikrock mit Gehobel und vielen Spänen. Marsch- und Blasmusik aus teutonischer Unterwelt. Polka-Versatz und Klezmer-Reste aus dem Erfahrungsschatz eines Sommers voller Erasmus-Partys. Säuferromantik und Kotz-ins-Taxi-Realismus. Kurzum: Pop der groben Arbeit und Gefühle, verteilt auf den Wuschelkopf eines 23-jährigen Schweizers und die Schultern seiner topversierten Backing-Band. Faber ist zunächst einmal der Hype, den man nicht hören will.
Er ist aber auch: der Hype, den man hören muss, weil man ihn sonst nicht glauben kann. Alles, was das Album an musikalischen Aufmerksamkeitserregern ankarrt, wird bedeutungslos, sobald Faber den Mund aufmacht. Dann singt er Triebtätertexte über kleine Mäuse und dumme Schafe, reimt "big screen" auf "tits seh'n" und "sechzehn" auf "Sexszenen". Die Songs dazu nennt er Wem du's heute kannst besorgen und Brustbeinearschgesicht. Seine Stimme soll lebensgegerbt klingen. Man kann damit aber auch Babys zum Lachen bringen.
Faber ist Sprachgewalt im doppelten Wortsinn. Das Talent für Timing und gossenpoetische Punchlines kann ihm keiner nehmen. Seine Texte sind auf schlaue Weise dumm, sie flirten mit Grenzüberschreitungen, die im deutschsprachigen Pop eigentlich undenkbar sind – und vollziehen den vermeintlichen Tabubruch zielsicher im Moment des größten Effekts und Vergnügens. Zigtausend Konzertbesucher und zukünftige Plattenkäufer sind dieser Masche bereits verfallen.
Wir können uns nur auf die Konzerte und das nächste Album freuen.
Ein besonderer Dank an Daniel Gerhardt von der ZEIT, der mit mir bei der Vorstellung von Faber ein paar seiner Eindrücke geteilt hat.
Die Band: Goran Koć y Vokalist Orkestar Band
- Julian Pollina alias “Faber” - Vocal, Gitarre
- Till Ostendarp - Posaune & Drums
- Silvan Koch - Keyboard
- Janos Mijinssen - Bass & Cello
- Max Kümmerling - Gitarre
Ich hoffe für euch eine gute Wahl getroffen zu haben. Denn nichts ist schlimmer als gähnende Langeweile (oder ein Furunkel am Hintern).
Einen ganz dicken Dank an @chriddi, die dem Ganzen ein neues Outfit verliehen hat und uns die Möglichkeit geschaffen hat, unter #deutschdienstag posten zu dürfen.
Bis die Tage, Wolfram