#Projekt Angst: Lauf nicht weg. HINSCHAUEN HEILT!

Mit Ende 20 erfuhr ich zum ersten Mal was es bedeutet mit Angst zu leben. Ich hatte mich bis dahin nie mit diesem Thema auseinandersetzen müssen. Es begann ganz schleichend. Zunächst merkte ich, dass mir Fahrten in Aufzügen irgendwie Stress bereiteten. Wenn mehrere Leute im Aufzug waren fing ich plötzlich an schneller zu atmen. Es kam mir so vor, als wären einfach zu viele Menschen im Aufzug selbst dann, wenn nur eine weitere Person mit mir fuhr. Mir wurde es zu eng und wenn sich die Tür schloss konnte ich nur noch auf die Stockwerksanzeige starren und beten, dass die Fahrt schnell vorbei sein würde.

So fing ich an den Aufzug nur noch dann zu nutzen wenn ich alleine war. Das steigerte sich soweit, dass ich ausstieg und auf den nächsten wartete, wenn weitere Fahrgäste einstiegen. Die Größe des Aufzugs spielte keine Rolle. Sowie sich die Tür schloss fing das Problem an. Mir war gar nicht bewusst, dass ich immer öfter die Treppe nahm, was aus sportlicher Sicht nicht schlecht war, ich arbeitet im 9. OG, aber es schien sich ganz automatisch, mir nicht einmal bewusst, eine Vermeidungsstrategie in mir zu bilden.

Internet gab es damals noch nicht und zum Arzt wollte ich deswegen nicht gehen. Meine Generation ist mit der Information groß geworden: ‚Wer zum Seelenklempner muss, der ist verrückt geworden!’ Also redete ich mit niemandem über mein Problem und machte einfach weiter.

Was Du verdrängst, das wird größer und beeinflusst Dein Leben immer massiver

Der Aufzug sollte nicht der einzige Platz sein mit dem ich Stress bekam. Eine Urlaubsreise mit dem Flugzeug wurde für mich zur nächsten Herausforderung. Als sich die Kabinentür schloss bekam ich feuchte Hände, Schweiß trat mir auf die Stirn und mein Atem ging schneller. Es fing überall an zu kribbeln. Ich wusste nicht, dass ich im Begriff war zu hyperventilieren. Was war das nur? Hatte ich Angst abzustürzen? Angst die Kontrolle aufzugeben? Angst nicht mehr Herr der Lage zu sein? Ja, von allem ein bisschen!

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Die Flucht vor der Angst

Ich hatte noch nicht gelernt hinzuschauen und zu verstehen. So versuchte ich innerlich vor diesem Gefühl wegzulaufen, was mir aber einfach nicht gelingen wollte. Je weiter ich lief, je schneller folgte mir der Schatten meiner Angst.

Der Urlaub war sehr schön, doch der Rückflug genau das Gegenteil. Sollte ich ab jetzt Flugzeuge meiden? Sollte ich immer das Auto nehmen oder die Bahn? Ich wusste es nicht und wollte mich auch nicht weiter mit dem Thema auseinandersetzen. Es lag ja zum Glück in diesem Moment wieder hinter mir.

Die Angst breitete sich weiter aus. Es begann in der Kantine und setzte sich fort im Supermarkt. Überall, wo ich in einer Schlange stand, zum Stillstand kam und warten musste. Mir wurde heiß. Das innere, dunkle Gefühl der Angst stieg von unten nach oben in mir auf und ich bekam Panik. Ich wollte nur noch raus. Im Supermarkt ließ ich dafür sogar den Einkaufwagen einfach stehen. Ich musste an die Luft. Mir war schwindelig und ich hatte Angst umzufallen. Tot umzufallen, vor all diesen Menschen, denen ich dann hätte erklären müssen, was mit mir los war.

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Die Angst vor dem Tot liegt bei vielen Ängsten in der Tiefe

Genau darin lag meine Angst. Ich hatte Angst davor einfach tot umzufallen und mich von außen beobachten zu müssen wie ich sterbe, unter mich zu machen und einen schlimmen Anblick für die Menschen um mich herum zu bieten. So suchte ich auch hier eine andere Lösung und ging ab da nur noch essen, wenn die Kantine nicht mehr so voll war, oder die Kassen des Supermarkts gerade neu geöffnet wurden. Alleine irgendwo stehen und warten, ganz wenige Menschen, niemand zu nah an mir, das war noch erträglich.


Der Wortstamm von Angst ist ‚Enge’.


Je mehr wir gegen die Enge kämpfen, je stärker spüren wir sie.

Zwei Jahre organisierte ich mein Leben rund herum um die Angst. Zu dieser Zeit lebte ich alleine mit meiner Tochter. Die Angst nahm die unterschiedlichsten Formen an, doch es ging letztlich immer darum, einfach tot umzufallen. Ich hatte Angst tot umzufallen wenn ich mit meiner Tochter alleine war und sie niemand finden würde, während ich tot neben ihr liegen würde. Dann kam die Angst wenn sie übers Wochenende bei ihrem Vater war, dass ich alleine in der Wohnung sterben und mich niemand suchen würde. So wurde mein Leben immer enger. Freunde meinten, dass es daran läge, dass ich getrennt leben würde. Wenn wieder ein neuer Partner in mein Leben käme dann wäre alles wieder in Ordnung.

Angst kommt oft dann, wenn es äußerlich gar keinen Anlass dafür gibt

Der neue Partner kam auch. Die Symptome hörten so plötzlich auf, wie sie gekommen waren und für ein Jahr hatte ich Ruhe. Wir kauften ein Haus, planten unsere Hochzeit und genossen unser Leben. Doch als wir zum ersten Mal gemütlich im Wohnzimmer saßen und auf unser Werk zurückschauen wollten, ergriff mich die Angst noch heftiger, als je zuvor. Ich hatte eine solche Panikattacke, dass mein Mann die Befürchtung hatte, ich würde an einem Herzinfarkt sterben.

Wir warteten bis ich wieder ruhiger atmen konnte. Ich wusste, dass mir körperlich nichts fehlte. Woher diese Angst auf einmal kam, das konnte ich mir nicht erklären. Ich hatte alles, es ging mir gut und es gab gar keinen Grund solche Ängste zu haben. Diesmal sprach ich mit meinem Mann darüber und wir wollten gemeinsam eine Lösung finden. Es half mir, dass er mich nicht verurteilte und meine Symptome ernst nahm. Ich hatte mich ständig selbst verurteilt und nun kam endlich seine neue, angstfreie Sichtweise hinzu.

Resonanzgesetz: Wenn wir anfangen uns mit etwas zu beschäftigen, dann sehen wir plötzlich mehr davon

Ein paar Tage später kam ein Bericht im Radio! Eine Studie belegte, dass Frauen Anfang 30 aus unerklärlichen Gründen vermehrt an Angstzuständen litten. Wir atmeten auf! Es war also bekannt, dass so etwas passieren konnte. Ich war erleichtert, dass ich mit den Symptomen nicht alleine war.

Es ergab sich nach einer erneuten Attacke, dass ich mit einer Freundin darüber sprach, die ich lange nicht gesehen hatte. Sie erzählte mir, dass es ihr vor einigen Jahren ebenso ergangen war. Sie besuchte Seminare für ihre persönliche Entwicklung. Seither ist die Angst wieder in ihren angemessenen, der Natur entsprechenden, Zustand zurückgekehrt.

Eine Woche später begann mein persönlicher spiritueller Weg. Ich besuchte die Seminare ebenfalls. Zum ersten Mal hörte ich davon wie die Psyche und der Körper miteinander agieren. Das sollte der Einstieg werden in meine spätere berufliche Laufbahn.

Die Angst - ein natürlicher Rauchmelder

Seither sind 30 Jahre vergangen. Bis heute hat mich diese Angst von damals nicht wieder besucht. Manchmal spüre ich sie, wenn es um mich herum sehr eng wird. Dann spreche ich mit ihr. Sie ist nicht mehr mein Feind, den ich bekämpfen muss. Ich verdränge sie nicht mehr aus meinem Leben, denn sie gehört dazu. Sie warnt mich! Dann überprüfe ich, ob ich etwas verändern muss, schaue, wohin sie gehört und entscheide, ob sie zu groß geworden ist.

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Hinschauen heilt!

Suche den Schlüssel zu Deiner Angst dort, wo Du ihn verloren hast. Er liegt nicht dort, wo es bequemer ist ihn zu suchen. Wenn Du noch Begründungen suchst, die die Angst rechtfertigen, dann kann es sein, dass Du sie verteidigst und evtl. noch nicht so gerne aufgeben möchtest. Oft erscheint ein Leben ohne den scheinbaren Schutz durch die Angst noch gefährlicher. Dann verhält sich ein von Natur sinnvoll eingerichteter Schutzmechanismus wie eine übervorsichtige Mutter, die ihr Kind meint zu beschützen indem sie es in einen dunklen Keller einsperrt, ihm aber keinen Raum zum Atmen mehr lässt.

Frage Dich: Was würde mir fehlen, wenn die Angst nicht mehr da ist?! Wofür steht sie? Worauf will sie mich hinweisen?

Dann weißt Du, ob Du bereit bist, für ein Leben mit einem gesunden Maß an Angst.

http://www.perspektivencoach.de/

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