Was ist Schönheit? - #Fotolern Teil 2: Motivwahl

Die Qual der Wahl

Beitrag zum Projekt #Fotolern von @altobee

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Wenn ich bei der Auswahl von Schülerportraits sitze, bin ich manchmal unsicher, welches der Motive das beste Lachen oder den schönsten Gesichtsausdruck zeigt. Manchmal ist es das erste Motiv, da der Schüler danach eher abbaute. Bei anderen ist es umgekehrt oder in wenigen Fällen auch immer der gleiche Gesichtsausdruck ;)

Was mir im Laufe der Jahre auffällt, ist das ich lieber einen natürlich und freundlichen Blick als das krampfhafte Lächeln mit aufgerissenen Augen auswähle :) Natürlichkeit scheint also wichtig. Was lenkt mich und uns instinktiv bei der Motivwahl? Ein paar gesammelte Grundlagen dazu aus dem gerade entdeckten „Das Mysterium der Schönheit“ und meinem eigenen Grundwissen. Viel Spaß!

In der Fotografie nutzen wir verschiedene Gestaltungsmittel zum Bildaufbau und zur Auf- oder Einteilung. Viele Handy- und Digitalkameras besitzen heute zuschaltbare Hilfslinien und Gitter, die uns beim Bildaufbau helfen sollen. Wie nutzen wir diese aber für schöne Fotos und was bedeutet überhaupt schön?

Was ist Schönheit?

Die Frage, was wir als schön oder hässlich ansehen, können wir subjektiv meist genau beantworten und haben eine klare Beschreibung davon, was wir als angenehm und harmonisch wahrnehmen. Schöne Gedanken, Taten, Empfindungen oder auch Geschehnisse werden Schönheit ebenso wie lebender oder toter Materie und Gegenständen wie Menschen, Tieren und Pflanzen zugeschrieben.
Warum wir etwas als schön empfinden, können wir dagegen meist nur schwer umschreiben.

  • „Das Schöne ist eine Manifestation geheimer Naturgesetze,...“, (Zitat: J.W. Goethe)

Was brachte Goethe zu so einer scheinbar widersprüchlichen Aussage?
Denn war er doch nicht nur Freigeist und Künstler, sondern auch ernsthafter Wissenschaftler. Was verbindet Naturgesetz objektiv mit Schönheit? Was für ein geheimes Gesetz der Natur ist gemeint, welches die Formen der Schönheit so klar vorgibt.

Sicher hat jeder irgendwann vom „goldenen Schnitt“ gehört und Goethe meint in seinem Zitat wohl genau die jahrtausendealten Eindrücke und Proportionen des goldenen Schnitts. In der Fotografie und dem aktuellen Thema bei #Fotolern, der Motivwahl, wird der goldene Schnitt sehr oft als Allheilmittel des Bildaufbaus angesehen.
Das ist er allerdings nicht. Maximal eine Leitlinie und ein Hilfsmittel um harmonische Fotos zu machen. Weichen die gezeigten Inhalte völlig von Harmonie ab, kann durch harmonischen Bildaufbau eher Verwirrung oder sogar gegenteilige Wirkung erzeugt werden.

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Der Goldene Schnitt ist eine Aufteilung in einem immergleichen Teilungsverhältnis. Exakt dieses Teilungsverhältnis kommt sehr oft in der Natur vor. Eben weil es so oft in der Natur vorkommt wird es vom Menschen im Allgemeinen als harmonisch empfunden.
Es handelt sich somit um eine Teilung, bei der immer ein Bezug auf das nächst Größere und somit schließlich auf das Ganze besteht.

Man teilt eine Strecke so in zwei Teile, dass der kleinere Teil sich zum größeren Teil genau so verhält wie der größere Teil wiederum zum Ganzen. Diese auch Proportio divina (göttliche Proportion) genannte Aufteilung fasziniert Menschen schon seit Jahrtausenden.

leaf-1551202_1920.jpgQuelle: Pixabay

Auch das alte, Leipziger Rathaus wurde nach dem Prinzip des goldenen Schnitts fast in Zweidrittel-Aufteilung gebaut.
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Quelle: Pixabay

Symmetrie

Symmetrie in der Natur

Das Prinzip der Symmetrie findet man in der Natur wohin man sieht. Die sogenannte Schönheit der Natur begründet sich vor allem auf der Proportionalität der Symmetrie.
Sehen wir also genauer hin, treten uns die verschiedenen Arten der Symmetrie in vielfacher Art und Weise entgegen.

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Unterschieden werden dabei 3 Formen:

  • Kugelsymmetrie: dreidimensionale, symmetrische Formen, z.Bsp.: wie eine Melone

  • Bilaterale oder Spiegelsymmetrie: Symmetrie zweier Seiten. Bsp.: Flügel eines Schmetterlings

  • Drehsymmetrie: rotationssymmetrische Formen (Muscheln, Schneckengehäuse etc.)

Auszug aus „ Das Mysterium der Schönheit“ von Dr. Ruben Stelzner:

Die Gleichheit der Teile als Grundprinzip der Symmetrie

„Warum sehen wir das Prinzip der Gleichheit jedoch als schön und harmonisch? Es scheint nicht die Gleichheit der Teile an sich zu sein, was die Symmetrie schön macht, sondern das Bild »eines Ganzen«.
Die besondere Anordnung der Teile spielt dabei eine funktionelle Rolle, da das Auge sich bei symmetrischen Gebilden nicht im Detail verliert, sondern das Gesamtbild als solches leicht erkennt. In der Symmetrie steht kein Teil losgelöst für sich, sondern stets in einem Gesamtzusammenhang mit den anderen, wodurch ein Bild der »Einheit« aller Teile hervorgerufen wird. Das geschieht über das Ordnungsprinzip in der Symmetrie, mithin über die Gleichheit der Teile.

Die Schönheit der Symmetrie liegt also darin, dass im Betrachter ein Bild der Vollkommenheit und Einheit hervorgerufen wird. Eine Unregelmäßigkeit oder Ungleichheit der einzelnen Teile senkt den Grad der Symmetrie und wird als unproportioniert, unharmonisch und unvollkommen empfunden, da das Auge sich im Detail verliert und den Gesamtzusammenhang nicht herstellen kann. Das Prinzip der Symmetrie, welches durch die Gleichheit der Teile zum Ausdruck kommt, ist unmittelbar mit der Eigenschaft der Schönheit verbunden. Symmetrie ist ein Schönheitskriterium. Die Fähigkeit der Zusammenschau aller Einzelteile zu einem Gesamtbild, zu einer Vollkommenheit ruft im Betrachter die Empfindung des Schönen und Geordneten hervor.“

Asymmetrie

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Was ist in diesem Sinne eigentlich sowas wie ein Schönheitsfleck? Es ist eine kleine Unterbrechung der Harmonie, beispielsweise im Gesicht einer Frau. Als Beispiel nennt Dr. Ruben Stelzner das Topmodel Cindy Crawford.

Der kleine Makel ist hier individuelles Markenzeichen geworden. Durch kleine Asymmetrien gewinnen Gesichter nicht nur an Menschlichkeit, sie gewinnen an Qualität. Diese Individualität, auch wenn sie eine Unperfektion, wie im Falle von Cindy Crawford, steigert Attraktivität.
Schönheit ist nicht nur Symmetrie, denn durch Symmetrie allein wird die Individualität und Einmaligkeit des einzelnen Bestandteils mit Ordnung unterdrückt.

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(auch gespiegelt anzuwenden)

Goldene Spirale

O.K., alles schön und gut aber was soll mir das beim Fotografieren bringen?

Wir beschäftigen uns bei #Fotolern in dieser Woche mit Motivwahl und damit auch mit der Bildgestaltung an sich. Mit ihr soll die Bildwirkung gesteigert und der Blick des Betrachters zielführend gelenkt werden. Den Goldenen Schnitt mit seiner Aufteilung kennen wir bereits. Ein weiteres Hilfsmittel zu Gestaltung harmonischer Bildinhalte ist die Goldene Spirale (Fibonacci-Spirale).
Solche Hilfsmittel lassen uns über unsere Bildwirkung nachdenken und ihr Potential austesten. Nicht vergessen werden darf allerdings die gewünschte Bildwirkung. Harmonischer Aufbau passt zu harmonischen Inhalten. Was aber nicht heisst das jede Regel in der Fotografie nicht auch bewusst gebrochen werden kann.

Im Beitrag von mir zitierte Auszüge entstammen zum Teil: „Das Mysterium der Schönheit“- naturwissenschaftlich-philosophische Abhandlung von Dr. Ruben Stelzner

Auch interessant:

  • Im nächsten Beitrag geht es um die Bildformate: Hochformat, Querformat und Quadrat und ihre Wirkung
  • Meine Fotoausrüstung und mein Job als Schulfotograf: hier
  • Alles zu meinem Projekt Photokids findet ihr hier in Teil 1 und hier in Teil 2
  • Schaut doch mal bei @yaraha und @kryptologe und @montiamore rein
  • Lustige Photostorys mit Bert 1, 2, 3, 4, 5

Liebe Steemits, viel Spaß!
photo 3+4 taken from www.pixabay.com, other photos by @erniegreenhill

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