Von wegen klein und zerbrechlich ...

Nach dem ja vor ein paar Tagen Blixa Bargeld Neubauten zum Einsturz gebracht hat und dabei von @chriddie ganz genau beobachtet wurde, klopfe ich mir den dabei aufgewirbelten Staub aus den Locken und flüchte in die Arme einer so zierlich und zerbrechlichen Gestalt, bei der man fälschlicherweise glaubt, wenn man sie zum ersten Mal auf der Bühne erlebt, sie brauche ständig Schutz und Rückendeckung.
Braucht sie nicht!
Denn wenn sie den Mund aufmacht und du gut zuhören kannst, dann kann leicht bei dir das Gefühl aufkommen, Rückendeckung zu benötigen.

📍📍Texte, bei denen es sich lohnt ganz genau zuzuhören 📍📍

Viel Vergnügen mit Annett Louisan

Mit dieser Auswahl hat wohl fast niemand gerechnet. Warum gerade Annett Louisan, die nicht unbedingt dafür bekannt ist Campino zum Nachdenken zu bewegen.
Bei Herrn Frege bin ich mir zwar nicht ganz sicher, ob dieses Vorurteil zutrifft, doch der hat auch heute kein Mikrophon in der Hand. Das übergebe ich besten Gewissens Frau Päge, die etwas bei mir geschafft hat, was nur sehr wenige Interpreten bei mir auslösen können. Näher zum Radio zu treten und dem Lautstärkenregler einen Dreh nach oben zu geben. So geschehen erstmals 2005, als ich an einem Sonntagmorgen auf der Terrasse saß, viele Puzzles einer Recherche zu einer Geschichte zusammenbaute und gleichzeitig der sonntäglichen Sendung bei Radio Zagreb ein Ohr lieh, in der Infos der letzten 7 Tage mit neuen Musiktrends aus ganz Europa aufgearbeitet und vorgestellt werden.
Und plötzlich schallte sie aus den Lautsprechern. Nicht Nena, nicht Inga Humpe oder Nina Hagen. Ganz neue Stimme, ganz leichte Musik und unheimlich spannend.

Nachdem Annett Präge mit ihrer Mutter von Schönhausen nach Hamburg gezogen war, tauchte sie erstmals in dortige Musikszene ein. Das Studium der Malerei bewältigte sie am Tag, während sie am Abend erste Buchungen als Backgroundsängerin und als Stimme für Werbespots erhielt. Ein willkommener Nebenverdienst für die Finanzierung der Kunstakademie. Während dieser Zeit vollzog sich auch der Wandel von Annett Präge zu Annett Louisan (die Oma hieß Louise) und sie begann mit dem Texter und Produzenten Frank Ramond eigene Titel aufzunehmen. Diese erschienen 2004 mit dem Album “Bohème". Nun durften wir sie endlich alle hören, diese kleinen witzig verpackten Bosheiten, die sie mit edler musikalischer Ausstattung ummantelt.

Danach gibt es für Madame Louisan musikalisch kein Halten mehr. Mit “Unausgesprochen” (2005) fließen noch mehr Elemente des französischen Chancons und Jazz-Elemente in ihre Lieder. Jetzt verstummen auch die Kritiker, die sie despektierlich als Poplolita oder Kleinmädchenstimme abgetan haben. Annett Louisan zieht konsequent ihr Ding durch - und das mehr als überzeugend. Der Verhöhnung von Thorsten Schmidt hat wohl jeder von uns bereits einmal beigewohnt.





2007 folgt “Das optimale Leben” mit einer gelungenen Mischung aus spielerisch, fröhlichen sowie nachdenklichen Songs, wobei ich insbesondere Die Wahrheit und den Gendefekt herausheben möchte. Nach dem optimalen Leben versucht sich Annett 2008 als Freizeithippie. Was das genau sein soll und wie das funktioniert - ich hatte keine Ahnung. Nach dem Hörgenuss war ich schlauer, aber noch immer nicht bereit ihr nachzueifern.
Die “Hippie-Phase” hielt nicht lange, da sie 2011 bereits “In meiner Mitte” angelangt war. Und das ist auf der Platte auch unüberhörbar. Die Aussagen in den Texten kommen so punktgenau, zielgerichtet rüber, wie ich es von Annett Louisan vorher noch nicht gehört habe. Ich halte daher dieses Album für ein absolutes Highlight.
Doch wie das oft nach solchen Höhepunkten geschieht, kommt 2014 mit “Zu viel Information” für meinen Geschmack ein musikalischer Abstieg. Die Lieder sind nie schlecht oder schlampig produziert. Nein, das ist es nicht. Dem Album fehlt der gewisse Pepp und damit öffnet sich bei manchem Song die Tür zur Langeweile. Schade. Ist aber auch nur meine Meinung.
All das lässt sie mich jedoch 2016 mit “Berlin, Kapstadt, Prag” vergessen. Obwohl das Album ja eigentlich nur Cover-Songs vorzuweisen hat, käme es einer Schande gleich, hier nicht im Regal sofort zuzugreifen. Denn Madame kann auch Bowie, Rammstein und Kraftwerk. Diese Interpretationen müssen aus jedem von uns einen Annett Louisan-Fan werden lassen.

Brauchst du noch mehr auf die Ohren? Nur zu!
Du findest „uns“ unter dem Hashtag #deutschdienstag. Hier bietet auch @meluni wöchentlich semantische Appetithäppchen als „Melunis Ausflug in die wunderbare Welt der Sprache“ an.

Hans Söllner eine Chance gegeben @erniegreenhill
Einstürzende Neubeuten beobachtet von @chriddie
Mit Element of Crime unterwegs war @w74
Ina Müller auf die Bühne geschubst von @chriddi
Stefan Gwildis vorgestellt von @chriddi
Faber vorgestellt von @w74
Gundermann vorgestellt von @erniegreenhill
Kid Kopphausen vorgestellt von @w74
Tobias Gruben vorgestellt von @erniegreenhill__